Novalis im Weinberg
Dem Zauber des kahlen, kargen, scheinbar schmucklosen Winter-Weinbergs wird in diesen Gedichten nachgespürt, dem Weinberg voller Erwartung. Er ist eine „untergegangene Sprache“, die jedes Jahr die Kraft zur Wiedergeburt aufbringt, eine verstreute Bibliothek, ein bizarrer Ort des Eigensinns, ein magischer Bildergenerator, ein Laut-Laboratorium. Und nicht zuletzt ein Sinnbild für die sich immer wieder erneuernde Poesie selbst. Eine Welt entsteigt dem Weinberg. Und eine Kunst des Sehens, inspiriert von Novalis' Aphorismus „Man könnte das Auge ein Lichtklavier nennen“.
„Über meine Schulter gebeugt, begann der Weinberg mir Dinge ins Notizbuch zu kritzeln, die ich mir gern habe träumen lassen. Der Weinberg wurde für mich zu einer Quelle von Bildern. Ich wollte eine kleine persönlich-poetische Kulturgeschichte des Weinbaus entwerfen. Meine Träume in den Weinberg verlegen. Den Weinberg erotisieren. Poesie und Weinbau sind nahverwandte Künste.“ (Ralph Dutli)
Der Band enthält neben dem Zyklus „Novalis im Weinberg (Freundliches Feuer)“ auch die Zyklen „Aus dem Knie blüht das achtblättrige Kleeblatt (zu Arnold Böcklins ‚Die Muse des Anakreon’, 1873)“, „Meine kleine Englische Suite“ und „Petrarcas Sieben Leben“.
Pressestimmen
„Ralph Dutlis höchst musikalische Lyrik geht aus vom Weinstock. Nicht vom Bild des Weinstocks, sondern von dem wirklichen Ding, und dem, was dazugehört: die Erde, der Raureif, der Traubenkern. Zum Wein, weiss Dutli, gehört das Schmecken der Nuance. Aber die sinnliche Gewissheit ist ihm nicht genug. Er stellt seine Erfahrung der pfälzischen Weinberge in einen weiten geschichtlichen Horizont.“
Andreas Dorschel, „Zwischen Wein und Wüste“, Süddeutsche Zeitung, 11. November 2005
„Gerade die unbeschwerte Mischung aus unverstiegener Gelehrsamkeit und spontanem Entzücken macht den Charme der Lyriksammlung aus – Novalis im Weinberg ist sanfte Lebensfreude.“
Gieri Cavelty, Tages-Anzeiger (Zürich), 28. Januar 2006
„Ralph Dutlis Gedichte stehen im Zeichen eines sinnlichen Zugriffs auf Welt und Sprache, den man aus gutem Grund erotisch nennen möchte. Die kahlen Weinberge der Pfalz in den Wintermonaten evozieren einen Reigen von Träumen, Erinnerungen, Bildern. Hier lallt die Zunge Wortspiele, manchmal auch derbe Kalauer, und der Novalis der Abendmahlshymne schaut dem verzückten, sprachverliebten Sprecher über die Schulter.
Das freie Spiel von Assoziationen und Alliterationen setzt der nächste Zyklus fort, ähnliche ‚spekulative Reinkarnationen‘ erlebt auch Petrarca; dem italienischen Dichter werden ganz weltlich sieben fiktive Nachleben beschert, die neue Liebeskonstellationen ausprobieren. Schnurrig sind die Einfälle, die Dutlis Wortalchimistenküche entschlüpfen, doch nicht ohne Witz und Hintersinn.“
Jürgen Brôcan, NZZ, Literatur und Kunst Nr. 29, 4./5. Februar 2006
„Gerade so wie der Weinbau ist, jedenfalls für Dutli, das Schreiben (von Gedichten) vor allem eines: ein Handwerk. Dazu bedarf es, neben Talent, vor allem Hingabe, Zuwendung, Pflege, Arbeit. Und zwar nicht wenig davon. Siebzehnmal – wenig ist das nicht – geht der Winzer per anno um den Rebstock herum, siebzehnmal nimmt – und so soll es, so muß es wohl sein, sollen Gedichte derartig gelingen wie die Dutlis – der Dichter sein Gedicht in den genauen Blick. Ohne Liebe ist dergleichen nicht möglich: ‚Jeder geliebte Gegenstand ist der Mittelpunkt eines Paradieses‘, heißt es bei Novalis, und mit ihm bei Dutli, der dieses Motto seinem Gedicht voranstellt."
Chrysostomos, Bamberger Onlinezeitung, 29. Januar 2013